Lösung zum

Test: Sind Sie fit für die moderne Verwaltung?

(Die nachfolgende Lösung entspricht dem Stand Ende 2000, Nachträge am Ende dokumentieren den späteren Stand.)

Die Bundesregierung hat beschlossen, bis zum Jahre 2005 alle Dienstleistungen der Bundesverwaltung über das Internet zugänglich zu machen[1].

Frage 1:

Welche wichtige Management-Regel könnte hier übersehen worden zu sein?

Antwort:
Die 80-20-Erfahrungsregel, nach der Aufwand und Ergebnis oft in einem nicht-linearen Verhältnis stehen: 80% der Arbeit lässt sich mit 20% Aufwand erledigen. Wer perfekt sein will, braucht für die restlichen 20% der Ergebnisse 80% des Gesamt-Aufwandes!

  • Es wird Dienstleistungen geben, bei denen der Aufwand, sie über das Internet anzubieten, besonders hoch ist.
  • Es wird Dienstleistungen geben, bei denen die Vorteile für die Bürger/Adressaten gering sind, so dass der Aufwand unwirtschaftlich ist.
  • Sinnvoll und realistisch wäre z.B., eine Umsetzungsrate von 95% bis zum Jahr 2005 vorzugeben.
  • Die informationstechnische Änderung sollte mit einer Neugestaltung der Geschäftsprozesse einher gehen. Suboptimale Geschäftsprozesse internet-tauglich zu machen ist Geldverschwendung, weil im weiteren Verlauf die unterbliebene Überprüfung nachgeholt werden muss - im übrigen sind suboptimale Geschäftsprozesse immer eine Verschwendung knapper Ressourcen.
  • Unverzichtbar wäre also die Berücksichtigung weiterer Ziele, u.a. die Optimierung der Prozesse, entsprechende Personalentwicklung, Überprüfung der Akzeptanz bei den Kunden, Definition von Nutzen-Kosten-Relationen, und nicht Internetionalisierung koste es was es wolle.
  • Wie schwierig Modernisierung ist, zeigt der Einsatz von KLR, z. B. im Geschäftsbereich des BMI, wo man von einer Verbesserung der Steuerung durch neue Informationen auf der Grundlage der KLR noch weit entfernt ist, wenn KLR überhaupt funktioniert! Was aber rechtfertigt die Kosten der KLR, wenn nicht bessere Steuerung durch das Management daraus folgt? Übrigens wird der Erfolg des Einsatzes von KLR ebenso wenig überprüft und dokumentiert wie die Akzeptanz bei den Betroffenen, grundlegende Fehler des Projektmanagements und der eigentlich geforderten "Organisationsentwicklung".

S. zur aktuellen Entwicklung unten den Nachtrag

Frage 2:

Wie ist die Entscheidung aus Management-Sicht zu beurteilen?

Antwort:
Eine wichtige Aufgabe des Managements ist es, Ziele zu setzen und damit Leistung zu fordern und der Entwicklung eine Orientierung zu geben. Wichtig ist dabei, die Pluralität der Ziele zu beachten: Konzeptionen müssen immer mehreren wichtigen Zielen gerecht werden.

Ziele müssen fordern, aber sie dürfen nicht überfordern. Wenn Sie überfordern - wie in diesem Fall, siehe Antwort zu Frage 1 - werden sie entweder nicht ernst genommen oder aber mit falscher Prioritätensetzung zu Lasten anderer wichtiger Ziele durchgesetzt.

Oder es geschieht, was üblich in der Verwaltung ist: am proklamierten Ziel wird offiziell festgehalten, faktisch wird es aber nur zum Teil oder nur symbolisch umgesetzt, eine irrationale Priorisierung unter der Hand findet statt bei der niemand sagen kann, wie effizient und effektiv, wie wirtschaftlich die Maßnahmen tatsächlich sind. Eine wirksame Erfolgskontrolle ist ja nicht zu befürchten.[FN1]

Das ist am Beispiel "neue Technologien" althergebrachtes Verwaltungs- und Politikmanagement.

Siehe hierzu jetzt auch den Nachtrag

Frage 3:

 

Entspricht diese Planung dem Leitbild eines "aktivierenden" Staates? Was müsste ggf. geändert oder ergänzt werden?

Antwort:
Bei diesen Planungen erscheint der Bürger lediglich als Nachfrager nach Leistungen, vielleicht noch als Absender von E-Mails. Dass das Internet aber ermöglicht, den Bürger als Partner einzubeziehen und Engagement und Kreativität zu nutzen, wurde - soweit erkennbar - nicht berücksichtigt.

In der Wirtschaft spricht man vom "Kunden als Kompetenzquelle" und bezieht ihn aktiv ein, z.B. durch Anwenderforen, wo Anwender sich austauschen und unterstützen und z.B. bei der Nutzung von Software oft wesentlich besser und schneller Hilfe erhalten als durch die überlasteten Hotlines. In gleicher Weise könnten die Bürger zu Partnern der Verwaltung werden:

  • Vielleicht können sie viel besser als die Verwaltung benutzerfreundliche Anleitungen für Verwaltungsverfahren und Formulare entwickeln und bei Fragen unterstützen.
  • Die Verwaltung könnte Entwürfe im Netz zur Diskussion stellen,
  • sie kann sich generell der Diskussion und Kritik in Diskussionsforen stellen
  • und Verbesserungsvorschläge nicht nur intern, sondern auch über Internet ermöglichen.
  • Ferner könnten Bürgerbefragungen (wie sie moderne Verwaltungen durchführen; das Land Berlin hat sie gesetzlich vorgeschrieben: s. VGG) per Internet erfolgen.

Die Erfahrungen von Pilotanwendern (s. z.B. Bremen-online) zeigen im übrigen, dass Dienstleistungen, die verbindliche Erklärungen und Zahlungen erfordern, nicht einfach zu realisieren sind und die Akzeptanz und Nutzung Probleme bereiten, aber z.B. über die Kombination mit anderen Anbietern verbessert werden kann (über das System kann man nicht nur Verwaltungsleistungen erhalten, sondern auch Auskünfte über Verkehrsverbindungen, Fahrkarten und andere - private, kommerzielle - Angebote).

Nachtrag

Vielleicht wird die Umsetzung des Konzepts doch einige der oben genannten Bedenken berücksichtigen. Jedenfalls lassen die konkreten Schritte hoffen, s. dazu den folgenden Ausschnitt aus einer Erklärung von Staatssekretärin Zypries auf dem T-Systems Summit 2001:

Um die Umsetzung von BundOnline 2005 in der gesamten Bundesverwaltung zu forcieren, hat das Bundeskabinett am 25. Juli 2001 die Einrichtung einer ressortübergreifenden Projektgruppe BundOnline 2005 im Bundesinnenministerium beschlossen. Diese Projektgruppe wird bis zum 15. Oktober 2001 einen konkreten Umsetzungsplan erarbeiten. Derzeit erstellt sie in enger Abstimmung mit den Ministerien und Bundesbehörden ein Dienstleistungsportfolio der Bundesverwaltung für das Internet. Die Dienstleistungen sollen dabei nach ihrer Bedeutsamkeit einerseits für die Bürgerinnen und Bürger, andererseits für die Wirtschaft und nicht zuletzt auch für die internen Verwaltungsstrukturen bewertet werden.

"Schließlich geht es bei eGovernment nicht nur darum, die Dienstleistungsqualität nach außen deutlich zu verbessern, sondern auch darum, Verwaltungsabläufe besser und effizienter zu strukturieren und so zu einer noch leistungsfähigeren und kostengünstigeren Bundesverwaltung zu gelangen", so die Staatssekretärin.

Ende des Zitats aus der Presseerklärung, übernommen aus dem Internet, URL: http://www.bundonline2005.de/de/presse/data/PM120901.htm, am 13.09.2001.

Zum Stand s. nunmehr die Veröffentlichung der Rede von Bundeskanzler Schröder, Bundesinnenminister Schily und Klaus Eyerhoff, Fa. Bertelsmann, veröffentlicht http://www.staat-modern.de/infos/daten/egovernment.pdf und das Realisierungskonzept

Nachtrag März 2002:
Inzwischen gibt es verschiedene, z.T. auch international vergleichende Untersuchungen, die den aktuellen Stand in dieser Frage dokumentieren, s. insbesondere die von der Bertelsmann-Stiftung in Auftrag gegebene und im Internet in Kurzfassung veröffentlichte Untersuchung http://www.bertelsmann-stiftung.de/press/item.cfm?lan=de&nId=14&aId=5808.

Aktuelle Informationen auch über die Website http://www.mediakomm.net, die die Projekte zum E-Government vor allem für die Kommunalverwaltung dokumentiert, auf Begleitforschung hinweist oder die Ergebnisse veröffentlicht, usw. (Träger ist das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu))


Anmerkungen

[1] Daran hat sich seit den Zeiten der Projektgruppe Regierungs- und Verwaltungsreform (1969 -1975) nichts geändert.

Insoweit dürften die Analysen von Hans-Ulrich Derlien, Die Erfolgskontrolle staatlicher Planung. Baden-Baden 1976, für die Bundesverwaltung weiterhin aktuell sein.

In der Kommunalverwaltung gibt es erfolgreiche und Erfolg versprechende Ansätze, insbesondere

Benchmarking beginnt jetzt auch in der Bundesverwaltung, allerdings mit Konzentration auf die Kostenseite. Ansätze für Strategisches Management sind kaum erkennbar.

Was dazu notwendig ist und dass es Ansätze außerhalb der Bundesverwaltung gibt, ist u.a. nachzulesen bei Hermann Hill, Politisches Controlling als Teil eines ganzheitlichen strategischen Managements. Vortrag auf dem Kongress "MODERNER STAAT 2000" am 29. November 2000, Berlin, online im Internet: http://www.dhv-speyer.de/hill/Publikationen/Controlling.pdf oder hier im Online-Archiv

 

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Köln, 2007-01-15 . Kontakt | Impressum


[1]   Vgl. die Darstellung des Programms durch Staatssekretär Fritz Rudolf Körper vom BMI auf der Fachtagung "Interaktive Televerwaltung" am 23.November 2000 im Rathaus Schöneberg, Berlin, sowie umfassender Staatssekretärin Zypries auf dem 2. SAP Symposium Verwaltungsmanagement am 26. Oktober 2000 in Berlin, http://www.staat-modern.de/infos/daten/SAPSympo.htm